Hallo zusammen,

Kai und ich sind jetzt wieder in Osna, also beim baldigen Zweitligisten. In Kiew fand sich zwischen den unzähligen Kaltgetränken leider keine Möglichkeit, den Blog zu pflegen. Aber nun denn, kommen wir zum Beitrag über unseren Tag in der Sperrzone von Tschernobyl:

Am Samstag, den 23.03.2019 klingelt in aller Herrgottsfrühe der Wecker, denn unsere Tour nach Tschernobyl und Prypjat begann um 0745. Gebucht haben wir die Tour bei einem Anbieter namens Gamma Travel, welcher sehr empfehlenswert ist.

Von Kiew zur Sperrzone sind es etwa zwei Stunden Autofahrt, diese war recht angenehm, der Bus war neu und modern, außerdem wurde uns eine Doku über das Reaktorunglück gezeigt.

Unser Guide Micha bereitete uns während der Fahrt auf den Tag vor, man hat Sicherheitstipps bekommen und Allerhand Sachen unterschreiben müssen. Wir wurden auch belehrt, dass in der Sperrzone absolutes Alkoholverbot herrschen würde, aber selbst dieses riesige Manko verdarb uns nicht den Tag.

Wir kamen also gegen 1000 am ersten Checkpoint an, dieser war 30km vom Reaktor entfernt. Wir bekamen ein Dosimeter, welches hinterher ausgelesen wurde und unsere Strahlenbelastung messen sollte. Spoileralarm: die Strahlendosis, die Kai und ich vorgestern abbekommen haben, ist weit geringer als bei einer Röntgenaufnahme. Selbst der Hinflug nach Kiew zog eine höhere Belastung auf sich.

Nach dem ersten Checkpoint näherten wir uns dem Ort Tschernobyl, nach dem das Kraftwerk benannt wurde. Die Häuser wurden (viel zu spät) geräumt und die Natur holte sich zurück, was ihr gehört.

Eines darf nicht unerwähnt bleiben: Kai und ich waren so pfiffig, uns Geigerzähler zu leihen. So konnten wir die Strahlenbelastung permanent messen. Unser Guide zeigte dann auch der Gruppe mehrere sogenannte „Hotspots“, wo die Strahlenbelastung deutlich höher war als es für Menschen gesund ist. Kurzer Ausflug in die Wissenschaft: eine Strahlendosis von bis zu 0,30 Mikrosievert wird als unbedenklich erachtet. Die höchste Dosis, die uns auf der Tour gezeigt wurde, lag bei etwa 60 Mikrosievert, also ca. 200 Mal höher. Dies war z.b. beim Riesenrad von Prypjat. Uns wurde erklärt, dass die Hubschrauber, mit deren Hilfe der Brand im Reaktor gelöscht werden sollte, hier landeten und daher die Dosis so hoch war.

Hier mal ein Video von meinem Geigerzähler:

Sehr nerviges Geräusch, aber den Geigerzähler auszuleihen war trotzdem eine gute Idee.

Wir liefen sehr viel durch die Gegend und je näher man dem Reaktor kam, umso nerviger piepste der Geigerzähler.

Da wir viel draußen waren haben wir aus der Vergangenheit gelernt und dieses mal den strengen sowjetischen Winter nicht unterschätzt. 🙂

Vormittags fuhren wir auch zu „Duga“, das war eine mega beeindruckende, sowjetische Radaranlage, die wegen des Geräusches, welches auch im kapitalistischen Westen zu hören war, auch Woodpecker genannt wurde:

Der Bus brachte uns danach also immer näher an den Reaktor heran, es gab noch zwei weitere Checkpoints, einen bei 10km Entfernung zum Reaktor und einen bei 3km Entfernung. Nachdem wir letzteren passiert hatten hörten unsere Geigerzähler gar nicht mehr auf zu piepsen, die Strahlenbelastung lag also permanent über dem Grenzwert von 0,3 Mikrosievert. Zugegeben, man bekam langsam ein mulmiges Gefühl. Unser Guide beruhigte uns aber und letztlich stellte sich am Ende des Tages ja auch heraus, dass keiner aus der Gruppe eine zu hohe Dosis abbekommen hat. Gegen Mittag kamen wir also zum Ort des Geschehens, zum Feindbild aller Ökos: dem Reaktor 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl!

Was wir vorher nicht wussten: man kam bis auf weniger Meter an den neuen Sarkophag heran…

Hier arbeiten mittlerweile wieder 5000 Menschen, selbst so nah dran ist die Strahlenbelastung also nicht gesundheitsschädlich. Komisch eigentlich, erzählt uns die deutsche Presse doch gebetsmühlenartig wie schrecklich Atomkraft doch ist.

Nach diesem mega interessanten Vormittag knurrte uns der Magen. Und wo aßen wir? In der Kantine des Kraftwerks! Total abgefahren. Leider war das Essen ungenießbar, das Wort „widerlich“ wäre hier noch ein starker Euphemismus.

So viel Hunger kann man gar nicht haben, um so einen Fraß zu essen.

Wir verließen nun den Bereich des Reaktors und fuhren nach Prypjat. Hier lebten bis zu dem Unfall etwa 45.000 Leute, die zumeist im Kraftwerk arbeiteten. Mit etwas Verzögerung wurde dieser Ort evakuiert und nun ist dort noch alles so, wie er verlassen wurde: eine kommunistische Stadt mit Plattenbauten etc.

So sahen die Supermärkte hier aus:

Am 01. Mai 1986 sollte der Tag der Arbeit in Prypjat mit einem Vergnügungspark gefeiert werden, daher findet man auch hier eines der berühmtesten Riesenräder der Welt:

Hier gab es dann auch wieder mehrere Hotspots, wie oben beschrieben.

Durch Prypjat liefen wir etwa anderthalb Stunden, die aber sehr kurzweilig und super interessant waren.

Gegen 1700 brachen wir auf Richtung Kiew, aber eine wichtige Sache fehlte noch: jeder einzelne Besucher der Zone wurde auf Radioaktivität getestet. Man darf den Bereich also nur verlassen, wenn man 100% safe ist. Man stellt sich in ein Messgerät, welches ein bisschen den Scannern an Flughäfen ähnelt und kann auf der anderen Seite nur raus, wenn das Gerät „grünes Licht“ gibt:

Aus unserer Reisegruppe war niemand strahlig, wir konnten also unseren Weg gen Kiew fortsetzen, wo wir gegen 1900 ankamen.

Fazit:

Ein Tagesausflug nach Tschernobyl ist nicht nur absolut safe sondern auch super interessant und überaus empfehlenswert. Wir haben sehr viele Infos bekommen und das mulmiges Gefühl wich sehr schnell der Neugier. Ich kann jedem Besucher von Kiew raten, diese Tour zu machen. Kostenpunkt 89€ inkl. der Leihe des Geigerzählers. Ob jetzt die Tour die Einstellung zur Atomkraft beeinflusst, lasse ich mal dahingestellt, es geht hier ja auch um Reisen und nicht um Politik.

Wer noch weitergehende Fragen zu dieser Tour hat, der darf sich gerne bei mir melden.

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Viele Grüße von den Radioactive Men Dennis und Kai ☢️